Wir möchten Destinationen, Gastgewerbe und Freizeitwirtschaft an dieser Stelle nutzenstiftende Fakten zu den Auswirkungen der aktuellen Krise geben und gemeinsam mit Ihnen den Blick in die Zukunft richten.
Für die Berechnung des Umsatzausfalls wurden die Übernachtungszahlen der amtlichen Statistik für März bis August, Hochrechnungen für Privatquartiere, Dauercamping und Reisemobilisten sowie aktuelle Zahlen des dwif-Tagesreisenmonitors berücksichtigt. Fahrtkosten für die An- und Abreise sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Für die Schätzung im Monat November erfolgten eine Übertragung der Erfahrungswerte aus den realen Daten des Monats April 2020 sowie Anpassungen an die gegenwärtigen Bedingungen (z. B. geöffneter Einzelhandel).
Spannend ist ein Blick in die unterschiedlichen Phasen von Lockdown und Recovery: Der Umsatzausfall lag in den Monaten März, April und Mai 2020 zusammen bei 34,7 Mrd. Euro (davon Tagestourismus 60 Prozent, Übernachtungstourismus 40 Prozent).
Im Zeitraum Juni bis August 2020 kamen weitere 11,9 Mrd. Euro hinzu, aber die Verhältnisse kehrten sich um: Tagestourismus 33 Prozent, Übernachtungstourismus 67 Prozent).
Wir führen dies einerseits auf eine schnellere Erholung vieler Segmente im Tagestourismus zurück, aber auch auf Kompensationseffekte zu ausgefallenen Urlauben insbesondere in den Sommerferien.
Die Umsatzausfälle durch ausbleibende Gäste und zunehmend unter Druck geratende öffentliche Haushalte führen auch bei Tourismusorganisationen zu existenziellen Fragen sowie zur Überprüfung der freiwilligen Aufgaben durch die Kommunen.
Rund 127 Mio. gewerbliche Übernachtungen weniger als im Vorjahr. Das ist die Zwischenbilanz für den Zeitraum Januar bis August 2020. Besonders der Monat August war im Inland noch durch einen positiven Sommerferieneffekt und damit eine zunehmende Recovery geprägt. Erstmals waren wieder einige wenige Regionen im Plus (Vergleich gegenüber dem Vorjahresmonat). Dabei reichte die Spanne von +22 Prozent in der Prignitz bis –56 Prozent in der Region Main und Taunus mit Frankfurt.
Die starken Rückgänge der Übernachtungen deutscher Gäste im Ausland und ausländischer Gäste im Inland hielten und halten weiter an. Angebotsseitig war im Sommer eine leichte Verknappung der Zahl der geöffneten Betriebe und der angebotenen Schlafgelegenheiten festzustellen (im August jeweils -3,6 Prozent).
Dabei kristallisieren sich die Destinations- und Betriebstypen allgemein sowie die damit verbundene Angebots- und Gästestruktur vor Ort als entscheidende Faktoren für die Stärke der Auswirkungen der Corona-Pandemie heraus.
Wasser- und Bergdestinationen sind z. B. weiterhin stärker nachgefragt, während der Städtetourismus auch im Sommer und Herbst weiter deutlich verliert. Reisen in weitgehend autarken Betriebstypen wie Ferienwohnungen/-häuser und Camping zeigen eine stärkere Recovery als Hotels oder Gruppenunterkünfte. Mit Blick auf die Entwicklung der Destinations- und Betriebstypen erwarten wir bis ins Frühjahr hinein keine Trendwende im Sinne einer „Normalisierung“.
Insgesamt bleibt die Marktentwicklung durch Reisewarnungen, Lockdown und Ängste potenzieller Reisender jedoch sehr labil. So schlägt der zweite Tourismus- und Freizeit-Lockdown in der bisherigen ersten Recovery-Phase, die damit ein jähes Ende fand, voll durch. Dadurch entstehen zusätzliche Unsicherheiten bei Anbietenden und Nachfrager*innen für die Planungen in den kommenden Monaten. Direkte Effekte sind bereits jetzt etwa durch zunehmende Stornierungen für die Folgemonate oder eine Zurückhaltung bei der Zahl der Vorbuchungen zu beobachten.
Der Marktanteil der Übernachtungen für den Lockdown-Monat November 2020 liegt je nach Bundesland laut amtlicher Statistik zwischen 4 und 8 Prozent an einem Normaljahr. Dieser Wert gibt somit eine Orientierung für die weiteren zu erwartenden Nachfrageausfälle. Das „Nachfrageausfallpotenzial“ für den Dezember liegt bei einem Fortbestand des Lockdowns bei durchschnittlich 6 Prozent.
2020 wird es keine „Krisen-Gewinner“ im Deutschland-Tourismus geben, lediglich weniger stark betroffene Destinationen. Zwar wirken der Leisure-Tourismus und die Inlandsmärkte stabilisierend, doch können sie die Ausfälle u. a. bei Geschäftsreisen und im Incoming-Segment nicht ausgleichen (so geht die DZT laut einer aktuellen Studie davon aus, dass das 2019er-Niveau des Incoming-Tourismus erst 2024 wieder zu erreichen sein wird). Parallel dazu hält der Trend zu einem verstärkten Kurzfristgeschäft an und wird durch den zweiten Tourismus- und Freizeit-Lockdown forciert.
Aus der ersten Recovery-Phase haben wir auch gelernt, dass Marktregeln und bekannte Muster temporär ausgesetzt sind. Die Entwicklung geht von gesättigten zu ungesättigten Märkten. Das bedeutet, nicht die Attraktivität oder die Begehrlichkeit einer Destination entscheidet, sondern politische Rahmenbedingungen rund um die Ausweisung von Risikogebieten und Einreisebestimmungen.
Diese Entwicklung führt derzeit zu einer vielerorts beobachteten Strukturumkehr und einer zunehmenden Segmentierung und Fragmentierung im Übernachtungstourismus: unterschiedliche Entwicklungen zwischen Betriebs- und Destinationstypen, aber auch zwischen einzelnen Betrieben vor Ort und in Abhängigkeit von der Bedeutung einzelner Marktsegmente (Geschäftsreiseverkehr/MICE, Ausland, Gruppengeschäft, Betriebsformen).
Nach dem Stresstest während des ersten Lockdowns hatten die meisten Gastronomie- und Beherbergungsunternehmen ihren Betrieb wieder aufgenommen. Der zaghafte Aufwärtstrend aus der Sommersaison wird nun durch die Schließung des Gastgewerbes im November 2020 wieder gestoppt. Fest steht: Die anhaltende Coronakrise wird das Gastgewerbe lange beschäftigen und der Wiederaufbau wird eine Mammutaufgabe für alle Partner*innen.
Nachdem die deutschen Hotelbetriebe ihre Auslastung in den letzten Jahren stetig verbessern konnten, weisen sie im Zeitraum Januar bis September 2020 einen Rückgang von 50 Prozent aus (Quelle: STR-Global). Bundesweit allerdings mit starken Unterschieden.
So erreichten die Hotelbetriebe an der Küste in den Sommermonaten fast ihre Vorjahreswerte, eine Steigerung war aufgrund der Kapazitäten allerdings kaum möglich. Die Stadthotellerie ist nach wie vor deutlich stärker von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen, weil viele Reiseanlässe nach wie vor wegfallen (z. B. Messen, Kongresse, Sport- und Kulturveranstaltungen, Musicals, Ausstellungen) und der internationale Reiseverkehr deutlich eingeschränkt war und ist.
In der Preispolitik sind die Unterschiede zwischen den Regionen ebenso sichtbar: Hotelbetriebe in den Küstenbundesländern konnten ihre Preise während der Corona-Pandemie durchschnittlich sogar erhöhen. Die Gründe hierfür liegen vermutlich im Einpreisen Corona-spezifischer Hygienemaßnahmen und in der Kompensation ausgefallener Umsätze. In allen anderen Destinationstypen in Deutschland lag das Preisniveau in der Hotellerie 2020 unter demjenigen des Vorjahres.
Nach einer Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes benötigen die Betriebe für einen erfolgreichen Wiedereinstieg nach Eigenangaben rund 70 Prozent ihres durchschnittlichen Umsatzes. Derzeit erreichen die Betriebe im Schnitt jedoch nur 50 Prozent ihrer normalen Auslastung und können somit nicht wirtschaftlich arbeiten. Das Gastgewerbe ist generell durch niedrige Eigenkapitalquoten und hohen Fixkosten gekennzeichnet. Miet- und Personalaufwand stellen den Großteil der Fixkosten.
Bund und Länder bieten deshalb Überbrückungshilfen für gastgewerbliche Betriebe an. In der DEHOGA-Blitzumfrage vom September gaben dennoch knapp 65 Prozent der Betriebe an, dass die bisher von Bund und Ländern angebotenen Liquiditätshilfen und Kreditprogramme für sie nicht ausreichten, um die Krise zu bewältigen. Diese Situation wird sich im Zuge des Lockdowns im November trotz der angekündigten Entschädigungszahlungen sicher noch verschärfen.
Die oberste Prämisse ist daher die Schaffung von Liquidität. Die Politik bietet den gastgewerblichen Unternehmen Unterstützung in Form von Überbrückungskrediten, Steuerstundungen und vereinfachten Regelungen für das Kurzarbeitergeld an. Auch wenn die laufenden Überbrückungshilfen der Regierung um ein halbes Jahr bis zum 30. Juni 2021 verlängert und unbürokratisch verfügbar sein sollen, wird dies nach unserer Einschätzung für viele gastgewerbliche Betriebe nicht ausreichen. So ist eine Insolvenzwelle derzeit zwar (noch) nicht aus den zur Verfügung stehenden Zahlen abzulesen, aber zunehmende Marktaustritte im Verlauf des Winters absehbar.
Der Tagestourismus ist ein milliardenschweres Standbein im Deutschlandtourismus und wichtig für eine kontinuierliche Auslastung vieler Einrichtungen und Anbieter. Im Zuge der Auswirkungen der Corona-Pandemie haben wir im Rahmen des dwif-Tagesreisenmonitors allein in den Monaten März und April einen Rückgang der Tagesausflüge bis zu 70 Prozent gemessen.
Die aktuellen Daten zeigen, dass die Zahl der Tagesausflüge im Zeitraum zwischen Januar und September 2020 insgesamt „nur“ um 12 Prozent zurückgegangen ist. Gleichzeitig erfolgte im Zuge der ersten Recovery-Phase eine Verlagerung auf „naturnahe Aktivitäten“ wie Radfahren, Wandern oder die Fahrt ins Blaue. Dagegen waren vor allem die Aktivitäten Veranstaltungsbesuch (fehlendes Angebot) und Besuch von Freizeiteinrichtungen rückläufig. Zunächst sprangen die Tagesausflüge im näheren Wohnumfeld wieder an. Im Verlauf des Sommers normalisierten sich die zurückgelegten Distanzen weiter.
Die Freizeitwirtschaft, die für Gäste von Außerhalb, Tagesgäste und Einheimische als Aktivität bei der Urlaubs- und Freizeitgestaltung wichtig ist, wurde durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie hart getroffen.
Viele Einrichtungen konnten ihre Saison aufgrund des Lockdowns im Frühjahr erst mit Verzögerung starten. In der ersten Recovery-Phase hatten es Outdoor-Einrichtungen wie Landschaftsattraktionen und Zoos/ Tierparks dann deutlich leichter als Indoorangebote.
Trotz umfangreicher Hygienekonzepte sowie Zugangsbeschränkungen lagen die Besucherzahlen insgesamt jedoch auch im August und September noch deutlich unter den Vorjahreswerten. Wie eine dwif-Umfrage im Rahmen der Sparkassen-Tourismusbarometer bei über 150 Freizeiteinrichtungen in der zweiten Oktoberhälfte zeigt, sehen immer noch rund ein Fünftel die Existenz ihres Angebotes durch die Corona-Pandemie bedroht. Der neue Lockdown im November wird die Situation weiter verschärfen.
Die Erwartungen an eine schnelle Erholung der Tagesreisen haben sich bestätigt. Diese Entwicklung ist auch bei künftigen Recovery-Phasen zu erwarten, wenngleich gerade im August und September Überkompensationseffekte zur Hauptreisezeit aufgrund teilweise ausgefallener Übernachtungsreisen festzustellen waren. Die veränderten Rahmenbedingungen rund um Motive und Aktivitäten und dadurch bedingte geringere Wertschöpfungseffekte werden voraussichtlich auch im Herbst/Winter 2020/21 weiter Bestand haben, wenngleich die Möglichkeiten der Outdoor-Aktivitäten im Winter insgesamt eingeschränkter sind als wir dies im Frühjahr 2020 erlebt haben.
Die Freizeitwirtschaft steht nach wie vor unter Druck. Der neue Lockdown stellt besonders die Indoor- oder Kombiangebote wie Zoos, mit teils hohen Besucherzahlen in der Nebensaison, vor weitere Herausforderungen. Dagegen sind Ausflugsschifffahrt, Freilichtmuseen, Naturinfozentren oder einige Outdoor-Freizeitparks weniger betroffen, da die Saison vielerorts bereits Ende Oktober endete.
Dennoch hatte bereits Mitte Oktober jede zweite Freizeiteinrichtung Hilfsprogramme in Anspruch genommen. Auch dieser Anteil wird durch den neuerlichen Lockdown weiter steigen. Zudem droht mit Blick auf die Saison ab 2021 ein Investitionsstau in der Freizeitwirtschaft, denn nach eigenen Angaben müssen bereits mehr als 50 Prozent der Einrichtungen geplante Investitionen verschieben oder streichen.
Seit März 2020 erarbeiten wir kontinuierlich Aktualisierungen, welche touristischen Marktsegmente voraussichtlich wie stark und wie lang von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sein werden. Sie haben Fragen dazu, benötigen weitere Daten, eine Einordnung Ihrer Situation in den Gesamtzusammenhang? Wir sind gerne für Sie da und unterstützen Sie.
Unser Team steht Ihnen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie mit Rat, Tatkraft und speziellen Beratungsleistungen zur Seite.
Wie sich das Destinationsmanagement verändert und was für DMO in der Recovery-Phase relevant(er) wird
Unsere Anfang April 2020 veröffentlichte dwif-Corona-MindMap 1.0 hat in der Branche viel Anklang gefunden. Uns erreichten zahlreiche Anregungen und Impulse aus verschiedenen Regionen. Die Gespräche mit Branchenvertreter*innen und Destinationsmanager*innen im Rahmen unserer Corona-Coachings haben uns zu einer Neuauflage der dwif-Corona-MindMap 2.0 inspiriert.
Die Recovery-Phase sollte genutzt werden, um die Aufgabenschwerpunkte von DMOs neu zu justieren. Unsere MindMap 2.0 dient hierfür als Orientierunghilfe
20. Januar 2021: Auch im Rahmen des Sparkassen-Tourismusbarometers machen wir das, was wir können und das, wofür Sie uns kennen: Wir geben Ihnen Orientierung, anhand von belastbaren Daten und gutachterlichen Einschätzungen. Die aktuelle Ausgabe der Kurzberichte enthält deshalb ein Corona-Special mit aktuellen Daten & Fakten für die Bundesländer & Regionen.
14. Dezember 2020: Die praktischen Erfahrungen aus der gerade unter Corona-Bedingungen beendeten Sommersaison nutzen und aktiv mit neuen Produktkonzepten einen guten Start in die Herbst- und Wintersaison 2020/21 finden, damit beschäftigten sich 21 Touristiker*innen bei einem von uns moderierten Workshop in der Karl-Knauf-Halle in Iphofen auf Initiative des Fränkischen Weinlandes.
07. Dezember 2020: Die Corona-Krise hat auch die nordrhein-westfälische Tourismusbranche mit voller Wucht getroffen. Mit dem erneuten Update des Living Papers zur Corona-Krise möchte der Tourismus NRW e.V. einen Überblick über die aktuelle Situation, aber auch einen Ausblick in die Zukunft liefern, um den Akteur*innen eine Grundlage für weitere Entscheidungen zu bieten.