Besucherlenkung ist gekommen, um zu bleiben! Beschäftigt hat uns das Thema im dwif strategisch zwar schon seit der intensivierten Overtourism-Diskussion, seit Corona-Pandemie aber zunehmend auch umsetzungsgetrieben. Gemeinsam mit absolutGPS aus Leipzig durften wir so die Erstellung eines Besucherlenkungskonzeptes mit Fokus auf den digitalen Möglichkeiten für den Lahntal Tourismus Verband e.V. in 2023 als Projektmanagement begleiten. Das Projekt zeigte uns, wie umfassend Besucherlenkung immer wieder zu denken ist - sowohl analog als auch digital und vor allem mit Mitteln der Angebotsentwicklung. Und welche organisatorisch-kommunikative Aufgabe damit verbunden ist, für die die wenigsten Destinationsmanagementorganisationen ausgestattet sind.
Die Lahn zählt zu den beliebtesten Wasserwanderflüssen Deutschlands - mit dem Kanu- und Wassertourismus neben Rad- und Wandertourismus als aktivtouristisches Leitprodukt der Urlaubsregion „das Lahntal“. Auf einer Länge von 160 „paddelbaren“ Kilometern werden wassertouristische Erlebnisse dort vermarktet, wo gleichzeitig auch eine Bundeswasserstraße verläuft.
Handlungspyramide digitales Besuchermanagement
(Quelle: Sobek et al in Gardini/Sommer [Hrsg.]: Digital Leadership im Tourismus)
Hauptziel des Projektes ist ein Besucherlenkungssystem, das die freizeitschifffahrtliche Nutzung optimiert und vor allem raum-zeitliche Hotspots entschärft. Insbesondere am Weilburger Schiffstunnel kommt es an Feiertagen und Ferienwochenenden mit schöner Witterung zu Massenphänomenen und in der Folge auch gefährlichen Situationen.
Als Teil des EU-geförderten Projektes „LiLa Living Lahn“ für die Nachnutzung von (Neben-)Wasserstraßen soll das nachhaltige Entwicklungskonzept Impulse und bestenfalls übertragbare Handlungsempfehlungen für die Zukunft anderer, zunehmend für den Gütertransport wenig(er) genutzter Wasserstraßen liefern.
Sensorik bietet umfassende Möglichkeiten, das „Bauchgefühl“ bezüglich zu vieler oder nicht gewünschter Nutzungen mit den konkreten Fakten einer digitalen Messung zu verifizieren oder falsifizieren. Im Falle der Lahn erfolgte eine Erfassung an 24 unterschiedlichen Zählstellen aus zwölf Schleusenstatistiken und zusätzlich 14 Kamerasystemen (davon zwei Referenzzählern) mit insgesamt über 40.000 Aufnahmen vom 7. April bis 31. Oktober 2023.
Solche Datenmengen, aber auch die zusätzlich notwendige Unterscheidung nach Fahrzeugtypen - SUP, motorisiert, Kanu, Vereinsfahrzeug, Mietkanu oder Privatboot - lassen sich nur mit einer entsprechend trainierten „Künstlichen Intelligenz“ (KI) für die Objekterkennung bewältigen. absolutGPS stellte die Sensorik, trainierte die KI und erarbeitete die Auswertungsprogrammatik.
Die genaue Abstimmung mit den regionserfahrenen Auftraggebenden und Mitgliedern des Fachbeirats ermöglichte die gezielte Platzierung der Kameras an ausgewählten Standorten. Das Vorliegen regelmäßiger Schleusenstatistiken sowie auch von Ecocounter-Zähldaten entlang des flussbegleitenden Lahntalradweges ermöglicht es in Zukunft prinzipiell, ein Prognosemodell ohne dauerhaft installierte Sensorik zum Laufen zu bringen. Das spart Kosten, vermeidet Schäden durch Vandalismus an der Sensorik im Gelände und erspart das Messen aufwändiger Echtzeitdaten!
Spannendes Ergebnis der ergänzenden Expertengespräche mit Verleihern und Touristiker*innen war, dass die wenigsten Kanugäste umfassend vorinformiert sind, sondern i.d.R. nur die jeweilige organisierende Person der Gruppe. Das heisst Informationen über potenziell volle Tage oder Flussabschnitte und ruhigere Alternativen erreichen die meisten Kanugäste gar nicht. Entscheidend ist dann wieder die sichtbare und schnell verständliche Information vor Ort (analoge Leitsysteme, Flyer, Widget/App mit aktuellen Informationen etc.).
Ziel eines Besucherlenkungskonzeptes Lahn muss es sein, die Erlebnisqualität durch Maßnahmen aus dem (digitalen) Aktivitätsmanagement zu erhöhen, Interessenten und Gäste besser auf ihren Aufenthalt vorzubereiten, das Aufkommen räumlich und zeitlich stärker zu verteilen, den Durchsatz an Engstellen zu erhöhen und die Zusammenarbeit im Netzwerk hinsichtlich des Angebots und seiner gewünschten Effekte (wieder) zu intensivieren.
Die Maßnahmenbereiche im Überblick:
Die Umsetzung des Konzepts hängt wie bei so vielen Managementaufgaben wesentlich davon ab, ob es gelingt, eine stetige, auch operativ kümmernde und koordinierende Funktion einzuführen. Die bisherigen Strukturen haben den Fliehkräften im Netzwerk über drei Bundesländer und mehrere Landkreise und Gemeindegrenzen hinweg nicht genügend entgegensetzen können. Der Lahntal Tourismus wird in seiner Auskunftsfunktion als zentrale Anlaufstelle in jedem Fall gestärkt werden müssen.
Ein aktives Besucher*innen-Management gehört nicht erst seit Corona zu den Aufgaben von Destinationsmanagementorganisationen (DMO). Doch die Pandemie und ihre Folgen erhöht die Dringlichkeit, sich mit den Möglichkeiten der Lenkung von Gästeströmen auseinanderzusetzen. Wir bringen Licht ins Dunkle.