Das war unser dwif-Impuls: Milieus der Zukunft
Rund 150 Teilnehmende waren am vergangenen Donnerstag live bei unserem dwif-Impuls zum Thema „MILIEUS DER ZUKUNFT – Wie sich Sinus-Milieus in die Tourismusforschung integrieren lassen!“ dabei.
Leonie Scherer und Sebastian Geiger vom dwif zeigten auf, wie sich die Sinus-Milieus in Gäste-, Bevölkerungs- und Akteursbefragungen integrieren lassen und welche weiteren Schritte sich aus den Ergebnissen ableiten.
Auch diesmal waren spannende Partner*innen und Gäste mit von der Partie: Die Expert*innen vom SINUS-Institut, Jan Hecht und Nadine Laufer, gaben exklusive Einblicke in ihre künftigen Planungen. Konkrete Eindrücke aus der Praxis lieferten Katharina Happel von der Rhön GmbH sowie Jannik Müller von Tourismus NRW.

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Worum ging es genau?
Die Sinus-Milieus fassen Menschen mit ähnlichen Werten und einer vergleichbaren sozialen Lage zu „Gruppen Gleichgesinnter“ zusammen. Für die Tourismusbranche bedeutet das: Ich kann die Erwartungen und Wünsche meiner Gäste an ihr Reiseziel identifizieren, Angebote auf die passenden Zielgruppen maßschneidern und wertebasierten Unterschieden zwischen Gästen und Einheimischen entgegenwirken.
Was muss ich beachten, wenn ich die Sinus-Milieus in meine Marktforschung integrieren möchte? Jan Hecht und Nadine Laufer vom SINUS-Institut gaben hier detaillierte Einblicke in ihre tägliche Arbeit: „Gerade am Anfang von strategischen Zielgruppen-Prozessen ist es wichtig, sich zu überlegen - im besten Fall datenbasiert- auf welche Milieus möchte ich mich eigentlich konzentrieren? In der Regel liegen wir bei zwei bis vier Milieus“. Als Datenschatz dienen hier die verschiedenen Info-Pakete des SINUS-Institut, z.B. das Reisepaket mit Daten zum Reiseverhalten der insgesamt zehn verschiedenen Milieus.
Die Sinus-Milieus lassen sich über den Milieu-Indikator auch direkt in die eigene Marktforschung integrieren: Hierfür werden 29 Statements über eine Zustimmungsskala abgefragt und das Ergebnis im Nachgang den verschiedenen Milieus zugeordnet. Die Möglichkeiten der Einbettung sind vielfältig und liefern spannende Erkenntnisse.
Unsere Partner*innen & Gäste in diesem dwif-Impuls
Welche Befragungsarten eignen sich dafür?
Sebastian Geiger ging zunächst auf die Integration der Milieus in Gästebefragungen ein. Durch die Befragung von Besucher*innen auf Veranstaltungen, in Freizeiteinrichtungen, Unterkünften oder Reisegebieten lässt sich verifizieren, welche Zielgruppe tatsächlich die eigene Destination besucht und welche Bedürfnisse diese an das Angebot hat, um passgenaue Produkte für die Nachfrage zu entwickeln. Da die Einbindung des Milieu-Indikators in eine Befragung zusätzliche Minuten bindet und diese teils sehr persönliche Fragen umfassen, ist ein transparenter Umgang mit dem Indikator den Befragten gegenüber und die Wahrung der Anonymität besonders wichtig. In unserem dwif-Tagesreisenmonitor werden die Daten der Tagesreisenden ebenfalls nach den Sinus-Milieus ausgewertet. So zeigt sich beispielsweise, dass das Expeditive Milieu sehr tagesreiseaffin ist und Großstädte als Destinationstyp bevorzugt.
Leonie Scherer bezog ergänzend die Perspektive der Einheimischen mit ein, denn „eine lebenswerte Destination für die Bevölkerung ist gleichzeitig ein attraktives Reiseziel für Gäste“. In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2024 die Ergebnisse der Tourismusakzeptanzstudie um die Sinus-Milieus angereichert und Tendenzen sichtbar, welche Milieus eine höhere oder geringere Tourismusakzeptanz in Mecklenburg-Vorpommern aufweisen. Die Gegenüberstellung der Milieus von Gästen und Einheimischen zeigt zudem auf, welche Form der Kommunikation die verschiedenen Interessengruppen benötigen, um möglichen Konfliktpotenzialen beim Aufeinandertreffen entgegenzuwirken.
In Akteursbefragungen können die Leistungstragenden einer Destination ebenfalls nach Zielgruppen (z.B. in der Marketingarbeit von touristischen Betrieben) gefragt werden, hier bietet sich insbesondere die Abfrage von thematischen Zielgruppen an (z.B. Radfahrer*innen).
Bildquelle: SINUS-Institut
Welche Erkenntnisse kann ich für meine Destination aus den Daten ziehen?
Für Katharina Happel von der Rhön GmbH bildet das Postmaterielle Milieu die zentrale Zielgruppe, „da hier ein sehr großes Interesse an Themen herrscht, die auch uns als Region am Herzen liegen, dazu gehören Umweltschutz, Naturschutz, aber auch die regionalen Erzeugnisse der Rhön. Bei der Produktentwicklung denken wir ein bisschen in die Zukunft und haben auch das Expeditive Milieu im Blick.“ Die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung der Postmateriellen sowie einer Akteursbefragung flossen in ein Whitepaper, das den Touristikern und Anbietern vor Ort zur Verfügung gestellt wurde, damit diese „in ihren Projekten von Produktentwicklung bis zur Vermarktung diese Daten für sich nutzen können“.
In Nordrhein-Westfalen stehen vier Milieus im Fokus der eigenen Marktforschung, die bereits in vielfältigen Projekten näher beleuchtet wurden. Unter anderem in einer Nachhaltigkeitswerkstatt, beim Tracking von Mobilfunkdaten oder in der gemeinsamen Gästebefragung. Jannik Müller von Tourismus NRW sieht großen Mehrwert darin, die Sinus-Milieus und das unterschiedliche Verhalten der eigenen Gäste zu identifizieren, um die Kommunikation gezielt danach auszurichten.
„Zwar wird sich das Verhalten des jeweiligen Milieus nicht grundlegend verändern, aber wir müssen das Milieu davon überzeugen, das eigene Reiseverhalten so anzupassen, dass wir als Reiseziel attraktiv werden und sie länger bei uns bleiben“.
Fazit
Die Sinus-Milieus bieten uns vielfältige Möglichkeiten, tiefer in die Wertevorstellungen und Ansprüche verschiedener Zielgruppen im Tourismus einzutauchen. Mit der Integration in die eigene Marktforschung lassen sich die Kommunikation und die touristischen Angebote einer Destination passgenau entwickeln.
Gleichzeitig befindet sich das Modell durch gesellschaftliche Treiber immer wieder im Wandel und hilft uns, Gäste und Einheimische im Spannungsfeld zwischen Werteorientierung und sozialer Stellung – ihre Ängste und Wünsche – besser zu verstehen.
Herzlichen Dank an alle Expert*innen für die anregenden Beiträge und alle, die live dabei waren!
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