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Worum ging es eigentlich genau?

Tagestourismus ist kein nice-to-have, denn rein mengenmäßig betrachtet ist es das mit Abstand wichtigste touristische Marktsegment in Deutschland. In Deutschland fanden 2022 rund 3,2 Mrd. Tagesreisen statt, das entspricht einem Wachstum von etwa +13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit ist noch nicht ganz das Vor-Corona-Niveau erreicht, aber bei der Konsolidierung sind deutsche Destinationen auch bei diesem Segment auf einem sehr guten Weg.

Und er ist ein Ganzjahres- und flächenmäßig gut verteiltes Segment. Tagestourismus findet in allen Saisons und an allen Wochentagen statt. Er verteilt sich relativ breit zwischen Land, Klein- sowie Mittelstädten und urbanen Metropolen. Damit ist er ganzjährig hochrelevant für die Auslastung von Einzelhandel, Gastronomie, Freizeit-, Kultur- und Aktivitätsangeboten in allen Destinationen.

Aus unseren Untersuchungen zum Tagestourismus und zur Tourismusakzeptanz wissen wir: Die häufigsten Probleme in der Tagestourismus-Diskussion sind neben Nutzungskonflikten vor allem die Verkehrs- und damit verbundenen Umweltbelastungen. Dabei ist Tagestourismus zu beachtlichen Anteilen auch ein innerregionales Phänomen. Das heißt, für Lösungen z.B. bei nachhaltiger Mobilität in der Freizeit und auf Ausflügen gilt es deshalb nicht nur auswärtige Zielgruppen, sondern auch die örtliche und regionale Bevölkerung selbst zu erreichen. Auch Bewohner*innen sollten verstehen, dass sie ebenfalls zum überbordenden Freizeit-PKW-Verkehr und zu Überfüllung mit beitragen.

Dass die Tagesgäste auf diese Belastungssituationen reagieren, zeigen die Auswertungen von aktuellen Sonderfragen des dwif-Tagesreisenmonitor 2022/23. So haben Störfaktoren wie Staus, Parkplatzprobleme, allerdings auch als überhöht empfundene Preise zum Teil Konsequenzen für das künftige Ausflugsverhalten. Etwa 13 Prozent aller Befragten geben bezogen auf ihr Ausflugsziel an, künftig den Anreisezeitraum, ihr Aktivitätsmuster, die Routenwahl, das Anreiseverkehrsmittel oder das Ziel ganz ändern zu wollen. Tagestourismus ist also – zumindest in Teilen – lenkbar. Zur Sicherung der Erlebnisqualität für die Gäste und für eine hohe Tourismusakzeptanz bei den Einwohner*innen ist solch vorausschauendes Tagestourismusmanagement künftig dringend geboten.

Das Thema bewegt auf verschiedenen Ebenen

Mit unseren dwif-Impuls-Gästen sind wir tiefer in das Thema eingetaucht.

Carola Schmidt (Harzer Tourismusverband e.V.) sieht den Tagestourismus als dauerhafte Managementaufgabe. Die rund 40 Mio. Tagesgäste sind vor allem für die Branchen Einzelhandel und Gastronomie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – der seit der Pandemie deutlich stärker wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Gästelenkung funktioniere bereits in Teilen, Besuchermanagement-Systeme sind trotzdem ausbaufähig. Gäste stärker auf Angebote in der Fläche aufmerksam zu machen, weg von den Hot Spots auch mehr Wertschöpfung in den ganzen Harz zu bringen, das benötige Zeit und einen langen Atem. Das Ohr dabei auch an der einheimischen Bevölkerung zu haben, sei ihrer Meinung nach wichtig.

Maria Bader (Tourist Information Lenggries) hat eine Bevölkerungsbefragung mit uns durchgeführt, um der Stimmung rund um den Tourismus vor Ort auf den Grund zu gehen und um die Einheimischen zu Wort kommen zu lassen. Wichtiger Anlass waren die kritischen Diskussionen vor allem um die Tagestouristen während der Pandemie. Die so genannte TAS-Befragung (Tourismusakzeptanzsaldo) kam zum Ergebnis, dass die Lenggrieser Bevölkerung sehr wohl um die hohe Bedeutung und positiven Effekte des Tagestourismus wisse, sich aber eben auch persönlich stark betroffen empfindet, vor allem durch Verkehrsbelastung, wildes Parken und unangemessenes Verhalten von Besucher*innen. Eine Zukunftswerkstatt mit der Bevölkerung lieferte Ideen, wie der Tagestourismus wieder positiver gesehen und gestaltet werden kann. Die bisher getroffenen Maßnahmen wie die Bewirtschaftung aller gemeindlichen, aber auch privaten Parkplätze sollen für die nächste Wintersaison besser koordiniert und vorbereitet werden. Neben der Kommunikation mit der Bevölkerung wird auch die Kommunikation in Richtung Ausflügler*innen intensiviert. Denn gerade bei den Besucher*innen aus der näheren und weiteren Nachbarschaft ist die Akzeptanz für Parkgebühren und Lenkungsmaßnahmen in Lenggries eher gering.

Tagestourismus ist kein Sommerphänomen an der Küste, so André Rosinski (Tourismus-Agentur Lübecker Bucht) und bedeutet einen enormen wirtschaftlichen Impuls das ganze Jahr über. Die Wichtigkeit wird allgemein anerkannt, aber Tagestourismus wird in den Hauptferienzeiten im Sommer, wenn die örtliche Infrastruktur bereits durch die Urlaubsgäste ausgelastet ist, regelmäßig zu einem sensiblen Thema. Die aktuell in den Anrainergemeinden der Lübecker Bucht ebenfalls durchgeführte TAS-Befragung rutscht in ausgewählten Küstenorten sogar in einen Minuswert! In einem neu aufgesetzten Dialog mit den Einheimischen wird deutlich, dass die Bevölkerung nicht bereit ist, die allsommerlichen Auswüchse weiter wie bisher zu tolerieren und erwartet, dass Politik und Branche bei den Lösungen in Zukunft auch wirklich liefern. In fünf Jahren soll eine erneute TAS-Befragung zeigen, ob man hier an der Ostseeküste auf dem richtigen Weg beim Tagestourismusmanagement ist. Die neue Herausforderung ist das Zusammenspiel und Aufgabenteilung zwischen ÖPNV, Tourismus und Kommunen für neue Mobilitätskonzepte gut zu organisieren. Umdenken ist auch bei der Bepreisung und Finanzierung von Lösungen gefragt. So wie gewisse Restaurants bereits mit dynamischer Preisgestaltung auf Nachfrageschwankungen reagieren, müsse z.B. auch die Parkplatzbepreisung nicht nur statisch in eine Richtung (Preise rauf!), sondern zukünftig auch flexibel lenkend gedacht werden dürfen, meint Rosinski abschließend.

Herzlichen Dank an unsere Gäste und alle, die live dabei waren!

Sie konnten unseren dwif-Impuls nicht live verfolgen, haben jetzt aber Lust bekommen sich die spannende Diskussion in voller Länge anzusehen? Dann schauen Sie einfach auf unserem YouTube-Kanal vorbei. Dort finden Sie auch die Aufzeichnungen der bisherigen Events dieser Reihe, wwie beispielsweise „Tourismus l(i)eben & erleben“, „Workation – Medienhype oder relevantes Marktsegment?“, „Dem Camping-Boom auf der Spur“, „Die TI als Flagshipstore", „Agilität & Resilienz im Tourismus", „Gästelenkung", „Qualitätsmanagement im Tourismus", „KPIs und ihr Einsatz in der Praxis“ oder „Leuchtturmprojekte als Impuls für die Region“.