Die Zahlen sind besorgniserregend: 100.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte haben seit Beginn der Corona-Pandemie dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt. Im Vergleich zum August 2019 waren somit im August 2021 über 9 Prozent weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Beherbergungsgewerbe und Gastronomie angestellt. Damit ist das Gastgewerbe eine von wenigen Branchen, die massiv Personal verloren hat. In der Folge verschärft sich der ohnehin schon akute Fachkräftemangel weiter.
Die Beschäftigtenzahlen entwickeln sich regional sehr unterschiedlich: Im August 2021 waren in Mecklenburg-Vorpommern 2,6 Prozent weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte angestellt als noch im August 2019, in Schleswig-Holstein waren es 3,0 Prozent weniger. In absoluten Zahlen gingen dem Gastgewerbe in den beiden Küstenbundesländern knapp 2.300 Beschäftigte verloren.
In den Städten Hamburg (-13,1 Prozent) und Berlin (-15,5 Prozent) wanderten deutlich mehr Angestellte aus dem Gastgewerbe ab: In der Hochsaison im August 2021 waren in Hamburg fast 5.400 Personen weniger sozialversicherungspflichtig angestellt als noch zwei Jahre zuvor, in Berlin waren es sogar rund 12.400 Personen weniger. In den weiteren Bundesländern liegt der Fachkräfteverlust im Gastgewerbe zwischen 6,0 und 12,9 Prozent.
Damit ist das Gastgewerbe im Branchenvergleich der größte Verlierer. Denn entgegen der Entwicklung im Gastgewerbe ist über alle Branchen hinweg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sogar um 1,1 Prozent angestiegen. Im August 2021 waren insgesamt über 360.000 Menschen mehr angestellt als noch zwei Jahre zuvor.
Durch die beiden Lockdowns und die damit verbundene Kurzarbeit haben viele Fach- und Saisonkräfte ihre Jobs im Gastgewerbe nicht mehr als sicher wahrgenommen. Häufig haben sie eine neue Anstellung in der Logistik oder dem Einzelhandel gefunden, die als krisensicher und systemrelevant gelten. Zeitweise gab es gezielte Abwerbeversuche aus anderen Branchen, da die Arbeitskräfte aus dem Gastgewerbe einen guten Ruf haben. In den Städten fanden die Arbeitskräfte während der Lockdowns einfacher eine neue Arbeitsstelle in anderen Branchen als in den Ferienregionen, wo die Tourismusbranche als Arbeitgeber dominiert – das erklärt auch die großen regionalen Unterschiede im Rückgang der Beschäftigten.
Die Branche litt wegen unattraktiver Arbeitszeiten und Löhne ohnehin unter Personalnot. Bereits in den vergangenen Jahren vor der Corona-Pandemie ist viel Fachpersonal in touristisch geprägte Regionen, z. B. Schweiz, Österreich oder auch die deutsche Nordseeküste abgewandert, wo der Verdienst oft deutlich höher ist. Nun hat die Corona-Pandemie den Fachkräfteverlust weiter beschleunigt.
Aber nicht nur Fachkräfte wandern ab – vor allem Hilfs- und Saisonkräfte, die keinen Zugang zur Kurzarbeit hatten, haben ihre Jobs verloren. Die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten ist im März 2021 um 28 Prozent gegenüber März 2019 geschrumpft (aktuellere Daten liegen nicht vor). Auf Grund der fehlenden Fach- und Hilfskräfte können Betriebe Teile ihrer Kapazitäten gar nicht anbieten, da sie ohne Personal nicht bewirtschaftet werden können. In der Folge müssen Speisekarten gekürzt, Öffnungszeiten verkürzt, weniger Zimmer oder Tische angeboten, Preise erhöht und Ruhetage eingelegt werden.
Ob diese Maßnahmen angesichts weiter verschärfter Regeln und damit ausbleibender Gäste ausreichen, bleibt abzuwarten. Wirtschaftliches Arbeiten ist unter diesen Bedingungen kaum möglich. Das lukrative Weihnachts- und Silvestergeschäft wird auch dieses Jahr eher mager ausfallen und viele Betriebe erwarten, dass sie weiterhin auf staatliche Hilfen angewiesen sein werden, um überhaupt durch den Winter zu kommen.
Und so schnell wird sich die Personalsituation im Gastgewerbe auch nicht entspannen. Denn einerseits ist eine Rückkehr der abgewanderten Fachkräfte kaum zu erwarten, andererseits kommen nur wenige junge Menschen nach. Die Anzahl der gemeldeten Ausbildungsstellen im Gastgewerbe war seit 2011 war ohnehin schon rückläufig. Über 40.000 Ausbildungsstellen wurden damals angeboten, rund 32.000 Ausbildungsstellen waren es noch im Jahr 2019.
Nach fast 18 Monaten Pandemie waren es 2021 nur noch gut 24.000 – und von denen blieben fast 6.500 unbesetzt. Dabei ist die Abbrecherquote noch nicht mal berücksichtigt. Fazit: Die Betriebe bilden weniger aus; der Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen wächst, weil sich immer weniger junge Menschen vorstellen können, im Gastgewerbe zu arbeiten und eine nicht unwesentliche Anzahl von Azubis bricht die Ausbildung ab, weil sie nicht ihren Vorstellungen entspricht.
Die Branche insgesamt und jeder einzelne Beherbergung- und Gastronomiebetrieb müssen am Image arbeiten und an Attraktivität gewinnen, um im Kampf um Fach- und Arbeitskräfte nicht noch weiter zu verlieren. Entscheidend sind dafür vor allem höhere Gehälter, flexible Arbeitszeitmodelle, attraktive Ausbildungsinhalte, positives Arbeitsklima und Entwicklungschancen – dies alles ist nicht neu und stand schon vor der Corona-Pandemie auf den To-Do-Listen.
Vor allem die positiven Aspekte des Arbeitens im Gastgewerbe sind in der Kommunikation häufig zu kurz gekommen: Ständiger Kontakt zu Menschen, abwechslungsreiche Tätigkeiten und das internationale Umfeld sowohl unter Kolleg*innen als auch bei den Gästen wären hier hervorzuheben. Die Betriebe haben die dringende Aufgabe, sich attraktiv zu vermarkten, nicht nur für Gäste, sondern auch für neue und zukünftige Mitarbeiter*innen.
Was die Betriebe dafür brauchen, ist Planungssicherheit und langfristige Perspektiven, denn eine erneute Schließung des Gastgewerbes würde die Abwärtsspirale weiter befeuern und die Personalnot vergrößern.
Die Umsatzausfälle durch ausbleibende Gäste und zunehmend unter Druck geratende öffentliche Haushalte führen auch bei Tourismusorganisationen zu existenziellen Fragen sowie zur Überprüfung der freiwilligen Aufgaben durch die Kommunen.
Wir möchten Destinationen, Gastgewerbe und Freizeitwirtschaft nutzenstiftende Fakten zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie geben und gemeinsam mit Ihnen den Blick in die Zukunft richten. Unser Update vom 29. März 2022 informiert Sie über die aktuelle Lage und unsere fachliche Einschätzung der Entwicklung.
Gemeinsam finden wir betriebswirtschaftliche Lösungen für die aktuellen Probleme und stellen die Weichen für die Zukunft.